Eine kurze Frage

Man erzählt, dass ein berühmter Prediger einmal eine Reihe von Predigten gegen den Unglauben gehalten habe. Diese hatten zum Ziel, einen ungläubigen Nachbarn, der die Gemeinde regelmäßig besuchte, von seiner falschen Weltanschauung zu überzeugen und für den Herrn Jesus zu gewinnen.

Kurz vor dem Ende dieser Predigt-Reihe wurde dem Prediger berichtet, dass der Nachbar nun zum Glauben gekommen sei. Der Prediger wollte nun zu gerne wissen, welche von seinen Predigten diese gute Wirkung hervorgebracht hatte.

Einige Tage danach besuchte ihn der einst ungläubige Nachbar und erzählte auf die Frage des Predigers, was ihn zur Umkehr veranlasst habe, folgendes:

“Das Mittel, welches Gott zu meiner Erweckung und Bekehrung gebraucht hat, waren nicht Ihre Predigten gegen den Unglauben, sondern eine einfache, kurze Frage einer alten, armen Frau.

Als ich nämlich eines Abends die Versammlung verließ, bemerkte ich neben mir eine alte Frau, die sich nur mit Mühe fortzubewegen konnte. Sie war, wie es schien, auf einer Seite gelähmt, und ich bot ihr meinen Arm an, um ihr die Treppe hinab zu helfen. Sie erhob ihr runzeliges Gesicht, sah mich einen Augenblick freundlich und dankbar an und sagte dann:

Ich danke Ihnen, mein Herr! – Haben Sie auch Jesus, meinen teuren Heiland, lieb?

Ich war stumm – diese Frage konnte ich nicht beantworten. Diese alte Frau hatte die Worte » Jesus, meinen teuren Heiland « mit so einem tiefen Vertrauen und mit so offensichtlicher Freude ausgesprochen, dass ich nicht daran zweifeln konnte, dass sie tatsächlich einen teuren Heiland hatte. Dies beschämte mich, denn ich konnte das von mir selbst nicht behaupten.

Ich konnte die Erinnerung an diese Begegnung mit der armen und doch so glücklichen Frau nicht wieder vergessen; und je mehr ich darüber nachdachte, desto tiefer wurzelte die Überzeugung in mir, dass jene wirklich etwas besitzen müsse, was mir fehlte – einen lebendigen Herrn, einen teuren Heiland. Weiter kam mir der Gedanke: Was für ein freundlicher Heiland muss Jesus sein, wenn er einem – äußerlich so armen und bedauernswerten – Menschen eine solche Freude und einen solchen Trost mitteilen kann!

Und da geschah, was ich niemals für möglich gehalten hatte; Ich weinte über meine schreckliche Undankbarkeit und Bosheit; dass ich einen solchen Heiland bisher verleugnet und verworfen habe. Von da an begann ich ernsthaft den Herrn zu suchen und ich habe ihn gefunden und kann jetzt auch sagen: Ich liebe Jesus, meinen teuren Heiland.

Der Prediger, der aufmerksam zugehört hatte, stellte verwundert fest, dass nicht seine wohldurchdachten Predigten, nicht seine gelehrte Beweisführung, nicht seine wohlgemeinten Anstrengungen zur Verteidigung der Wahrheit den Ungläubigen gewonnen hatten, sondern die kurze, authentische Frage einer armen Frau:

Haben Sie auch Jesus, meinen teuren Heiland, lieb?

Quelle: Zeitschrift „Botschafter des Heils in Christo“ – Ausgabe 1891

Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.

1. Johannes 4,19